Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

Alexandra Keller • 3. Juni 2025

Warum es ok ist, dass nicht immer alles ok ist


Ob du Sicherheitsschuhe, Kasacks oder Anzug trägst – eines gilt für uns alle: Arbeit macht das Leben nicht leichter. Und das Leben pausiert nicht, nur weil wir bei der Arbeit sind. 


It’s OK not to be OK. 


Das ist keine Schwäche. Das ist menschlich. 

Wenn du jemals das Gefühl hattest, deine Herausforderungen verstecken zu müssen – um deinen Job zu behalten, deinen Ruf zu schützen oder nicht „aufzufallen“, dann bist du nicht allein. 


Wenn Arbeit und Leben aufeinandertreffen

Wir haben Menschen in der ganzen Schweiz eingeladen, ihre Erfahrungen zu teilen – Momente, in denen das Leben überwältigend wurde und wie kleine Gesten am Arbeitsplatz den Unterschied gemacht haben. 


„Meine Partnerin verlor ihren Job, das Geld wurde knapp. Ich konnte nicht schlafen, machte Fehler bei der Arbeit. Mein Teamleiter hat mich nicht zurechtgewiesen. Er sagte: ‚Du wirkst nicht wie du selbst. Willst du reden?‘ Er half mir, Kontakt zu einem Unternehmensberater aufzunehmen. Diese kleine Geste hat mich davon abgehalten, einfach zu gehen.“


„Ich habe das Burnout nicht kommen sehen – es kam schleichend, bis ich eines Tages bei der Arbeit zusammenbrach. Die Erholung war nicht sofort da. Sie bedeutete Monate voller Dunkelheit, Schuldgefühle und Einsamkeit. In einer Welt, in der Leistung an erster Stelle steht, lerne ich immer noch, auf meine mentale Gesundheit zu achten. Wenn ich heute diese Geschichte erzähle, dann vielleicht, um mir selbst und anderen zu sagen, dass man das Recht hat, zu fallen. Und vor allem, dass man das Recht hat, wieder aufzustehen – in seinem eigenen Tempo.“


„Als meine Mutter starb, dachte ich, dass ich meinen Job verlieren würde. Aber als ich zurückkam, waren meine Schichten bereits abgedeckt. Meine Vorgesetzte sagte nur: ‚Wir sind einfach froh, dass du wieder sicher zurück bist.‘ Das hat mir Kraft gegeben.“


Diese Momente mögen klein erscheinen – aber sie prägen die Arbeitskultur auf eine starke Weise. 


Was Expert/innen beobachten


Manche Gruppen sind besonders gefährdet: 

  • Lernende und Berufseisteiger:innen müssen hohen Leistungsanforderungen gerecht werden, was zu Unsicherheiten und sozialem und emotionalem Druck führen kann. 
  • Schichtarbeitende und Pflegepersonal leiden oft an einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus mit Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit. Auch kann es schwieriger sein, soziale Kontakte zu pflegen. 
  • Führungskräfte tragen viel Verantwortung – und gestehen sich vielleicht schwerer als allen anderen, ein, dass sie belastet sind. 
  • Alleinerziehende und Ausländer/innen müssen viele Herausforderungen gleichzeitig bewältigen – oft mit weniger Unterstützung. 


Wie Belastungen aussehen können

Psychische Herausforderungen sind nicht immer offensichtlich. Manchmal zeigen sie sich in Leistungsschwankungen, körperlichen Beschwerden, sozialem Rückzug – oder darin, dass jemand einfach nicht mehr sie/er selbst ist. 

„Menschen geben sich grosse Mühe, das zu verbergen, was sie durchmachen“. „Die Person ist vielleicht dünnhäutiger, reizbarer, an- oder abgespannter als vorher. Es kann auch sein, dass es immer wieder zu Konflikten im Team kommt oder zu krankheitsbedingten Kurzabwesenheiten ohne physischen Grund.“ 

Deshalb ist Aufmerksamkeit so wichtig – vor allem für Kolleg/innen und Teamleitende. Wenn du eine Veränderung bemerkst, geht es nicht ums Diagnostizieren. Es geht darum, sich zu bemühen, ein Gespräch zu beginnen. 

Und ja – manchmal braucht es ein paar Anläufe. Aber es lohnt sich. 


Was man nicht tun sollte

Wenn jemand kämpft, ist das Schlimmste, nichts zu tun. 

„Verurteilung hilft nicht. Was Menschen brauchen, ist jemand, der hinsieht, empathisch zuhört und Unterstützung anbietet“,


5 einfache Wege, deine psychische Gesundheit bei der Arbeit zu stärken

Es braucht nicht immer eine Therapie oder ein Retreat, um sich ein bisschen besser zu fühlen. Diese kleinen, wirkungsvollen Schritte können bereits helfen:

1) Frag dich selbst: Wie geht’s mir wirklich?

 Nicht: Was muss ich als Nächstes tun? 

 Benenne, was du fühlst – selbst wenn es nur „müde“ oder „komisch“ ist. Das ist ein gesunder Anfang.

2) Sprich mit jemandem

 Am besten, bevor es zur Krise kommt. Freund/in, Kolleg/in, HR – oder anonym und kostenlos rund um die Uhr bei 
143 – Die Dargebotene Hand / La Main Tendue.

3) Geh kurz raus

 Fünf Minuten frische Luft und Tageslicht wirken Wunder. Kein Wanderausflug nötig – ein kleiner Spaziergang oder eine sonnige Bank reichen schon.

4) Sei freundlich zu dir selbst

 Wenn du eine/n Freund/in trösten würdest – wieso nicht auch dich selbst? Selbstmitgefühl ist kein Luxus. Es ist essenziell.

5) Kenn deine Warnzeichen

Leicht reizbar? Schlafprobleme? Nicht wirklich anwesend? Diese Signale zeigen: Es ist Zeit, zu handeln. Pause machen, reden, durchatmen, Hilfe suchen. 


Wie Teams und Führungskräfte etwas bewirken können 

Psychologische Sicherheit entsteht nicht durch eine grosse Geste. Sie entsteht durch Kultur: 

Klare Erwartungen. Ehrliches Feedback. Fehlertoleranz. Regelmässige Check-ins. Verlässlichkeit. 

Manchmal reicht schon ein echtes: „Wie geht’s dir – wirklich?“ 

Eine starke Teamkultur unterstützt nicht nur psychische Gesundheit – sie schützt sie. 


Gesündere Gewohnheiten aufbauen – wissenschaftlich fundiert 

Diese Strategien helfen nachweislich, Stress zu reduzieren und mentale Gesundheit zu fördern: 

  • Mini-Pausen: Alle 60–90 Minuten 1–5 Minuten bewegen, dehnen, abschalten. 
  • Gute hybride Arbeit: Klare Struktur, funktionierende Tools, starker Teamzusammenhalt. 
  • Verbindungen: Unterstützung im Team ist einer der stärksten Schutzfaktoren. Ein Danke. Ein Kaffee. Ein Kompliment. Alles zählt. 
  • Lebensstil: Genügend Schlaf, ausgewogene Ernährung, Bewegung. Kurze Spaziergänge und Atemübungen bringen Energie zurück. 
  • Lernen & Kreativität: Neues ausprobieren – ja, auch bei der Arbeit – verändert den Blick, stärkt das Selbstvertrauen und kann Spannungen abbauen. 


Du bist nicht allein (auch wenn es sich so anfühlen kann) 

Psychische Belastungen sind oft unsichtbar. Sie zeigen sich in Schweigen. In müden Augen. In einem Lächeln, das nicht echt ist. 


Beitrag von Jobs.ch - gefiel uns sehr gut!

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